Schluss: Rationalisierung der Alltagswelten

Lernprozesse, die wir bei den Betrieben beobachten, beziehen sich auf einen versachlichten Umgang mit psychischen Störungen. Die Integration wird durch eine partielle Rationalisierung der Alltagswelt erst ermöglicht. Ich denke, dass die Koordination des Alltagshandelns ohnehin eine rationale Bezugnahme auf die jeweilige Arbeitssituation erfordert. Die Akteure erheben Geltungsansprüche, die von ihnen begründet werden können, wenn die Zusammenarbeit scheitert.[1] Anforderungen der Kooperation oder deren Zurückweisung bzw. Modifizierung stützen sich auf solche Geltungsansprüche.

 

Coach: Der Coach ist ein neuer Akteur am Arbeitsplatz, der an die Rationalität der alltäglichen Koordination anknüpft. Manchmal lassen sich Probleme entschärfen, wenn der Coach versucht, sie zu reformulieren. Dazu gehört auch, die Grenzen der Rationalität sichtbar zu machen, um Probleme zu überbrücken[2] oder spezielle professionelle Hilfen zu aktivieren.

Soziale Beziehungen, wie sie die informelle Betriebsorganisation voraussetzt, lassen sich weder administrativ anordnen noch als fachliche Maßnahme hervorrufen. Sie erfordern vielmehr den persönlichen Einsatz der beteiligten Akteure. Auch der Coach ist doppelt gefordert: formell und informell. Als Betreuer sind wir selbst Arbeitnehmer, die diese soziale Rolle vorleben und ihre Standards anwenden; und die Rehabilitanden sind potentielle Kollegen. Wir sind Teil der gleichen Welt und nehmen mit gleichem Recht Bezug auf sie.

Für Psychiatrie-Erfahrene und Angehörige ist die Haltung der Profis ebenso wichtig, wie deren Fachkompetenz.[3] Für uns Job-Coachs ist die Anerkennung der Arbeitnehmerrolle unserer Klienten, mit all ihren Einschränkungen, eine Herausforderung. Alle Tugenden der Betreuer, wie "Echtheit, wertschätzender Umgang, ... Verlässlichkeit, Berechenbarkeit, Geduld"[4] usw. müssen sich in Bezug auf die alltägliche Zusammenarbeit bewähren. Die Persönlichkeit des Job-Coachs ist dabei eine seiner wichtigsten Qualitäten. "Persönlichkeit" ist die Befähigung, in einer Situation nicht nur formell zu reagieren, sondern mit eigenen Anteilen - also informell präsent zu sein.

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[1]

Diese Geltungsansprüche betreffen:

die objektive Wahrheit der Bezugnahme auf Zusammenhänge der Arbeit,
die normative Richtigkeit einer Bezugnahme auf soziale Anforderungen der Arbeit und
die subjektive Authentizität der deklarierten Motivation.

Habermas 1981, siehe Beispiel in Band 2 auf S. 185 ff.

[2]

Vicco von Bülow (Loriot 1976) lehrt, dass man ein Bild u.U. besser schief hängen lässt (https://de.wikipedia.org/wiki/Zimmerverwüstung). Das gilt im übertragenen Sinn auch für die Rehabilitation von Psychotikern. Mit kleinen Unzulänglichkeiten kann man leben.

[3]

Klaus Laupichler, Reinhard Peukert, Worauf wir Psychiatrie-Erfahrenen und wir Angehörigen uns verlassen wollen! In: APK 2006, S.56

Die Fachkompetenz, der zweite Punkt, müsste sich an professionellen Standards bemessen, die leider in der Rehabilitation kaum vorhanden sind.

[4]

Plößl 2012